Immer, wenn ich mit einem Erwachsenen über eine mögliche Hochbegabung spreche, höre ich: „Ich bin sicher nicht hochbegabt! Ich war in der Schule nie so gut!“
Es ist unglaublich, wie der Begriff Hochbegabung mit hervorragenden Schulleistungen verbunden ist. In unseren Köpfen erscheint das Bild des schulischen Überfliegers, der schon mit 12 Jahren Matura oder Abitur schafft und dann auf der Universität studiert.
Dabei wird leider den beiden Begriffen Performance und Potential kaum Beachtung geschenkt. Performance bezeichnet die Leistung, die jemand erbringen kann. Ein Einser Schüler zeigt eine gute Performance in der Schule, das bedeutet aber nicht automatisch, dass er hochbegabt ist.
Hochbegabte Schüler fühlen sich aus den verschiedensten Gründen in der Schule nicht verstanden oder gesehen und verweigern – im schlimmsten Fall – Leistungen zu zeigen. Sie können ihr Potential in der Schule nicht entfalten. Potential bezeichnet die Leistungsfähigkeit, die in jedem Menschen steckt. Jeder Mensch hat Potential in sich.
Leider wird dieses in unserer Gesellschaft nicht so wahr genommen, wenn sich eine Person oder ein Schüler nicht gut in der Öffentlichkeit präsentieren kann. Personen oder Schüler, die sich wenig dabei denken mit ihren Leistungen zu prahlen, werden häufiger als besonders klug wahr genommen. Ruhigeren Menschen, die an ihren Leistungen immer wieder zweifeln oder sie in Frage stellen, wird nicht die Aufmerksamkeit zuteil, die sie verdient hätten.
In unserem Schulsystem oder in unserer Arbeitswelt zeigt sich das sehr stark und führt dazu, dass sich genug Menschen verunsichert fühlen und sich nicht trauen, ihr „wirkliches“ Potential zu zeigen. Sie fühlen sich in der Schule oder im Berufsleben einfach anders und nicht richtig erkannt. Oft haben sie eine Antwort oder einen Vorschlag auf den Lippen und wagen es nicht, diesen laut auszusprechen. Später kommt die Antwort oder der Vorschlag von jemand anderen und findet großen Anklang. Dieses sich Zurückhalten nagt wieder am Selbstvertrauen der hochbegabten Person. Sie flüchtet wieder in ihr bekanntes Gefühl der Selbstzweifel. Diese müsste sie nicht haben, wenn sie nicht so viel über alles reflektieren würde.
Aus diesen Gründen sind die meisten hochbegabten Erwachsenen erstaunt, wenn sie bemerken, dass viele der Persönlichkeitsmerkmale hochbegabter Menschen auf sie zutreffen.